Schnittstelle Mediävistik: Kollaborationen der Mittelalterforschung im digitalen Zeitalter

Call for Papers für das Themenheft 2025/1 von ›Das Mittelalter‹: Die Mediävistik ist ein per definitionem interdisziplinär ausgerichtetes Fachgebiet. Aufgrund ihrer heterogenen, oftmals fragilen und nicht leicht zugänglichen Forschungsgegenstände und ihrer besonderen Anforderungen haben sich Mediävist*innen schon früh der Möglichkeiten des Computers bedient und sich damit als Pionierinnen der digitalen Geisteswissenschaften erwiesen.



Eine Vielzahl geisteswissenschaftlich-kultureller Praktiken blickt auf Vorläufer und Vorbilder aus dem Mittelalter zurück, aus philologischer Tradition zählen hierzu etwa Übersetzungshilfen, Thesauri, Konkordanzen und Annotationen. Die adäquate Darstellung der Quellen und ihre Erfahrbarkeit im digitalen Raum sind besondere Herausforderungen, für die die Mediävistik Lösungen entwickeln muss.



Wegen der Vielfalt der Forschungsgegenstände, ihrer Historizität und ihrer kulturhistorischen Bezugssysteme handelt es sich dabei um hochgradig interdisziplinäre Aufgaben. Computergestützte Ansätze und digitale Praktiken erweitern das Methodenspektrum und schaffen neue Möglichkeiten eines nachhaltigen und vernetzten Wissensfundus.



Die Mediävistik hat in den letzten Jahren viele Ressourcen digital aufbereitet und von den technischen Möglichkeiten profitiert, etwa im Bereich der Editionsphilologie zur Darstellung synoptischer Editionen oder der Einbindung von Digitalisaten. Doch zumeist bleiben die erarbeiteten Mittel Insellösungen. Nur in Ansätzen wurden theoretische Überlegungen entwickelt, wie einzelne Projekte miteinander verbunden werden können.



Das Themenheft ›Schnittstelle Mediävistik‹ widmet sich der computationell arbeitenden Mittelalterforschung in ihrer verbindungsstiftenden Funktion. Als Schnittstelle vermittelt sie zwischen den Disziplinen, Digitalem und Analogem, heterogenen Forschungsgegenständen und vielfältigen Methoden. Dabei integriert sie nicht nur Ansätze und Wissen aus anderen Fachbereichen, sondern trägt auch zum Erkenntnisgewinn über ihre eigene Disziplin hinaus bei, indem etwa Daten zu Handschriften für historische Netzwerkforschung oder Geovisualisierungen weitergenutzt werden.



Das Themenheft adressiert Interdisziplinarität auf zwei Seiten: auf der Seite der Forschungsgegenstände, die abhängig von den Fachdisziplinen z. B. historische Daten, literarische Texte, philologische Themen, Schrift- und Bild-Zusammenhänge und anderes untersuchen; auf der Seite der Herangehensweisen, die je nach Fachdisziplinen ‚traditionelle‘ Arbeitsweisen und computationelle Herangehensweisen, Annotationen, Machine-Learning-Ansätze, Modellierung, Linked Open Data (LOD) und vieles mehr nutzen.



Über die „Schnittstelle Mediävistik“ lassen sich fachliche Heterogenität und Vielfalt der Gegenstände mit der Vielfalt der Methoden produktiv verbinden. Die „Schnittstelle Mediävistik“ hat in ihrer vermittelnden Funktion auch unmittelbare Auswirkungen auf Aspekte der Nachhaltigkeit. Denn nur durch nachhaltig verfügbare und genormte Daten, durch die Einhaltung von Standards und die Verwendung persistenter Identifikatoren kann eine langfristige interdisziplinäre Forschung bzw. Nachnutzung der Daten im Wechselspiel verschiedener Disziplinen und Methoden ermöglicht werden.



Unter zeitgemäßer digitaler Mittelalterforschung verstehen wir außerdem auch nationale und internationale Forschungsinfrastrukturen, die von Mediävist*innen mit einem gemeinsamen Interesse an einer tiefgreifenden Erschließung von Forschungsgegenständen kollaborativ gepflegt und gestaltet werden. Dies impliziert eine Offenheit, die sich nicht nur auf die Verwendung offener Standards und die interdisziplinären Perspektiven auf heterogene Forschungsgegenstände bezieht, sondern durch die auch eine gesamtgesellschaftliche Teilhabe am zu bewahrenden kulturellen Erbe angestrebt wird.



Ziel des Bandes

Das Forschungsfeld des Themenhefts reicht somit von methodologischen über daten- oder objektbezogene Fragestellungen hin zu infrastrukturellen Aufgaben, die unter den Aspekten der digitalen Nachhaltigkeit und Vernetzung vereint werden. Ziel des Bandes ist, kollaborative Verfahren der Digital Humanities forschungsorientiert und praxisnah vorzustellen und die hierfür angewandten Methoden und Praktiken zu evaluieren und zu diskutieren.



Das Themenheft soll in erster Linie dazu einladen, das methodische Feld in Bezug auf Verfahren der Verknüpfung und Kontextualisierung zu erweitern. Mithilfe quantitativer und kontextualisierender Ansätze wird eine neue Qualität von Forschungsdaten erreicht, indem verstreute Informationen systematisch miteinander verknüpft werden, sodass komplexe Zusammenhänge sichtbar und neue Zugänge geschaffen werden.



Hier bieten digitale Verfahren auch neue Perspektiven für eine global ausgerichtete Mediävistik. Erst diese Art der Vernetzung befördert auf lange Sicht einen Kulturwandel. Er zeichnet sich durch transparente, offene und nachhaltige Wissenschaft ebenso aus wie durch kollaborative und innovative Forschung und die Übernahme der gemeinsamen Verantwortung für den Aufbau und langfristigen Betrieb digitaler Arbeitsumgebungen und Forschungsinfrastrukturen. Zu diesen Herausforderungen der digitalen Mediävistik will der Band einen Beitrag leisten.



Die Einsendung von Abstracts ist bis zum 15. November 2023 möglich. Alle Informationen dazu und zum Heft findet ihr auf der Webseite des Mediävistenverbandes .