Spannend wie komplex: Thomas Kaufmanns ›Der Bauernkrieg: Ein Medienereignis‹

Aktuell und im nächsten Jahr jährt sich der sog. Bauernkrieg zum 500. Mal, ein Ereignis, das in den Jahren 1524 / 1525 in Thüringen, Sachsen und insbesondere in Baden-Württemberg und dem süddeutschen Raum zu kriegerischem Aufstand, gesellschaftlichen Verwerfungen und religiösen Umbrüchen führte. In vielen Orten Deutschlands widmen sich vor diesem Hintergrund zahlreiche Museen in diesem und im nächsten Jahr diesem Ereignis, das zudem über eine Reihe von literarischen Neuerscheinungen kontextualisiert wird. Eine dieser Neuerscheinungen ist Thomas Kaufmanns ›Der Bauernkrieg: Ein Medienereignis‹, das im Oktober 2024 im Herder Verlag erschienen ist.



Wer auf der Suche nach einer Einführung zum Bauernkrieg ist, wird sich mit ›Der Bauernkrieg: Ein Medienereignis‹ sicherlich schwertun. Thomas Kaufmanns Buch ist eine dichte, komplexe und voraussetzungsreiche Abhandlung, die – wie der Untertitel verspricht – den Bauernkrieg aus medialer Perspektive beleuchtet. Und das ist überaus spannend und erkenntnisbringend.



Denn als Leserinnen und Leser tauchen wir so in eine mediale Welt ein, die recht kurz nach „Erfindung“ des Buchdrucks noch in den Kinderschuhen steckt – aber bereits eine Wirkmacht entfesselt, welche die gesellschaftlichen, politischen und religiösen Strukturen der alten Welt sprengen kann. Im Zentrum von Kaufmanns Frageinteresse steht naheliegender jene gesellschaftliche Gruppe, welche der Bauernkrieg seinen Namen verdankt: die Bauern.



Doch kommen diese in der medialen Welt zu Beginn des 16. Jahrhunderts in der Regel nicht oder nur vermittelt selbst zu Wort. Vielmehr werden sie, nachdem sich die Jahrhunderte zuvor fast gänzlich über sie ausgeschwiegen haben, zum narrativen Spielball anderer Gesellschaftsgruppen, die seit etwa der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts über verschiedene Bilder von Bauern eigene Themen verhandeln.



Insbesondere vor dem Hintergrund der Reformation, welche zeitgleich zum Bauernkrieg die europäische und besonders deutsche Gesellschaft im Herzen spaltete, gewinnen die Ereignisse, Forderungen und Vorstellungen jener Bauern, die sich gegen eine als drückend empfundene Obrigkeit erheben, im medialen Echo eine eigene Brisanz. Katholische wie reformatorische Autoren, darunter bekannte Figuren wie Martin Luther, Philipp Melanchton und Thomas Müntzer, verhandeln im Kontext der Bauernaufstände ihre je eigenen Agenden und nutzen die Bauern dafür als „kulturelle“ Ressource.



Für die katholische Seite sind die gesellschaftssprengenden Aufstände der klare Beweis für die zersetzenden Ideen und Gedanken der Reformation, deren Anhänger sich wechselhaft mal mit den aufständischen Bauern solidarisieren, ihre Ansprüche anerkennen, aber ihr gewalttätiges Handeln verurteilen oder sich von der Bewegung rigide distanzieren. Thomas Kaufmann gibt mit seiner Durchsicht durch die Publizistik der Zeit einen lebensnahen Einblick, in die gesellschaftlichen Diskurse der Schwellenzeit zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit und offenbart dabei eine Diskussionskultur, in denen die Akteure selten ihre Samthandschuhe anziehen. Der Ton ist rau, sprechen sich die Seiten gegenseitig die Menschlichkeit und Vernunft ab und diffamieren sich gegenseitig als gottlos und teuflisch – eine Tonalität, die wir in unseren politischen Debatten der letzten Jahre wieder sehr verstärkt selbst beobachten können.



Die Bauern geraten in diesem Diskurs zusehends zum Spielball gesellschaftlicher, hart geführter Diskussionen, sind mal arme Verführte, die wider besseres Wissen in den verdienten Untergang ziehen, mal aufrührerische und todbringende Teufel, mal werden ihre – vor dem Hintergrund reformatorischer Gedanken auch religiös begründete – Forderungen nach einer gerechteren und weniger erniedrigenden Behandlung wohlwollend zur Kenntnis genommen, mal streng abgeurteilt. Spannend sind dabei die Einblicke, wie Gesellschaft Anfang des 16. Jahrhunderts gedacht werden konnte und wie von allen Seiten auch religiös argumentiert wurde, zu Lebzeiten die Füße still zu halten, um den entsprechenden Lohn am Jüngsten Tag nicht aufs Spiel zu setzen.



Will man Parallelen zu unserer modernen Gesellschaft ziehen, so finden sich diese nach Lektüre des Bandes schon im 16. Jahrhundert: verkrustete Grenzen zwischen politischen und gesellschaftlichen Lagern, die sich in harter Sprache gegenseitig die Existenzberechtigung absprechen, mediale Bubblebildung, Hate Speech und ein Übereinander- nicht Miteinandersprechen der Konfliktparteien. All dies führte – sowie es das heute auch tut, auch wenn sich schon um 1525 auch Beispiele gütlicher Konfliktbeilegung finden – zu einer gesellschaftlichen Diskussionskultur, die zwangsläufig in Gewalt und Blutvergießen münden musste.



Wer sich also einmal vertieft in die Gedanken- und Diskurswelten des späten Mittelalters und der Reformation einfinden möchte, hat dazu in Thomas Kaufmanns ›Der Bauernkrieg: Ein Medienereignis‹ reichlich Gelegenheit – ein gewisses Vorwissen um Ereignisse, Figuren und Kontexte ist aber unerlässlich, um sich im komplexen Thema zurecht zu finden.



Bei wem nun Interesse geweckt wurde, der oder die sollte sich unbedingt auf der Verlagsseite einmal umschauen.