›Die Habsburger im Mittelalter. Aufstieg einer Dynastie‹: Im Interview mit Simone Heimann

Die Habsburger – eine Familie, die über Jahrhunderte große Teile Europas (und anderer Kontinente) beherrschte und bis 1806 insgesamt 21 römisch-deutsche Könige und Kaiser hervorbrachte, bevor sie nach dem Ende des Alten Reichs bis 1918 die Kaiser von Österreich stellte. Die Anfänge der Dynastie waren bescheidener, als im Jahre 1273 ein Graf mit Namen Rudolf zum römisch-deutschen König gewählt wurde. Die Erfolgsgeschichte seiner Herrschaft war zu Beginn alles andere als abzusehen und auch seine Nachfolger mussten herbe Rückschläge einstecken, bevor sich im ausgehenden Mittelalter mit Friedrich III. und Maximilian I. eine langanhaltende Herrschaftskontinuität etablierte.



Bereits seit dem 16. Oktober 2022 widmet sich unter dem Titel ›Die Habsburger im Mittelalter. Aufstieg einer Dynastie‹ eine Landes- und Sonderausstellung im Historischen Museum der Pfalz Speyer mit der spannenden, wechselhaften und überaus konfliktreichen Anfangszeit der Habsburger – tatsächlich hierzulande das erste Mal überhaupt.



Wir konnten mit Kuratorin und Projektleiterin Simone Heimann über die Habsburger sprechen, über die Idee zur Ausstellung, über deren Konzept und Umsetzung.



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Simone Heimann M.A., Studium der mittelalterlichen Geschichte, Archäologie und Europäischen Ethnologie in Münster und Bamberg, seit 2009 Ausstellungskuratorin am Historischen Museum der Pfalz Speyer und Sammlungsleiterin Frühmittelalter.



Mittelalter Digital: Liebe Frau Heimann, vielen Dank, dass Sie sich Zeit nehmen, um uns ins ausgehende Mittelalter zu begleiten. Im Jahr 1273 wurde Rudolf von Habsburg von den Fürsten des Reiches mit großer Mehrheit zum römisch-deutschen König gewählt, ein Ereignis, das sich 2023 zum 750. Mal jährt. Zudem befindet sich in unmittelbarer Nähe zu Ihrem Haus mit dem Speyrer Dom der einzige außerösterreichischer Grablegeort mittelalterlicher Habsburger, an dem sowohl Rudolf, der auch in Speyer verstarb, als auch sein Sohn Albrecht bestattet wurden. Zwei sehr gute Gründe, eine Ausstellung zu den Habsburgern in Speyer zu machen – gab es noch andere?



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Mit ihm beginnt es: Rudolf I. von Habsburg wird 1273 zum römisch-deutschen König gekrönt, eine Position, die er bis aufs Blut verteidigen muss und die seine Nachkommen erst einmal wieder verlieren, bis die Herrschaft am Ende des Mittelalters endgültig auf die Familie übergehen wird. Standbild Rudolphs von Habsburg von Franz Xaver Schwanthaler in der Vorhalle des Speyerer Doms.



Simone Heimann: Mit der Habsburger-Ausstellung knüpfen wir an die Salier-Ausstellung (2011) und die Löwenherz-Ausstellung (2017/18) – alle drei großen Mittelalter-Ausstellung haben eines gemeinsamen: Es verbindet sich Regionalgeschichte mit der großen Reichsgeschichte. Rudolf I. hat mit der Wahl des Speyerer Doms als seinem Grablegeort bewusst an salische und staufische Traditionen angeknüpft.



Dank der Unterstützung des Salzburg Museums konnten wir für unsere Ausstellung vier der schwergewichtigen Bauteile zu uns nach Speyer holen und so Maximilians Traum 2022 Wirklichkeit werden lassen. Für uns ein weiterer, sehr guter Grund für unsere Ausstellung.



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Die Erinnerung an seine ruhmreichen Vorfahren wollte auch Kaiser Maximilian I. wach halten und gab bei dem Salzburger Bildhauer Hans Valkenauer ein gigantisches Monument für den Kaiserdom in Auftrag. Doch wurde das ambitionierte Projekt – wie so viele Bauprojekte Maximilians – nie fertig gestellt und verblieb in halbfertigen Einzelteilen in Salzburg. Virtuelle Rekonstruktion des Valkenauer Monuments im Speyerer Dom.



Mittelalter Digital: ›Die Salier‹ im Jahr 2011, 2017/18 die Familienausstellung ›Robin Hood‹ und ›Richard Löwenherz. König – Ritter – Gefangener‹, zuletzt noch der ›Medicus. Die Macht des Wissens‹ (hier geht’s zu unserer Reise ins Kaiserjahr 2020, in dem wir die Ausstellung besucht haben): Sie haben ja mittlerweile einige Erfahrung in der Konzeption und Umsetzung „mittelalterlicher“ Ausstellungen. Waren die Habsburger für Sie Business as usual? Oder brachte die Ausstellung ihre eigenen Herausforderungen mit sich?



Simone Heimann: Jede Ausstellung stellt uns – bei aller über die Jahre gesammelten Erfahrung – immer wieder vor neue inhaltliche und organisatorische Herausforderungen. Unsere Erfahrung hilft uns sicherlich, hier gelassener zu bleiben, da wir um die Aufgaben wissen, die auf dem Weg von der Idee bis zur Eröffnung auf uns zukommen. Und doch gibt es immer wieder neue Hürden zu nehmen.



Mit der Vorbereitung der Habsburger-Ausstellung haben wir in der Corona-Hochzeit begonnen, wir konnten uns nicht wie sonst im Team um den Besprechungstisch setzen und an der Konzeption arbeiten und auch Leihreisen nach Österreich und in die Schweiz waren unsicher. Eine vollkommen neue Situation für uns alle! Auch vor dem Hintergrund steigender Preise für Sprit und Holz war der internationale Kunsttransport kaum verlässlich zu kalkulieren.



Das waren die organisatorischen Hürden, die uns auf Trapp gehalten haben. 250 Jahre Reichsgeschichte auf 1000 Quadratmetern präsentieren zu wollen bedarf eines gut durchdachten Konzepts – dieses zu erarbeiten war alles andere als Business as usual. Belohnt werden wir jetzt mit zahlreichen und überaus positiven Rückmeldungen unserer Besucherinnen und Besucher!



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Blick in die Landesausstellung ‹Die Habsburger im Mittelalter. Aufstieg einer Dynastie‹.



Mittelalter Digital: Können Sie uns skizzieren, wie die Habsburger von der ersten Idee zur Ausstellung bis zu ihrer fertigen Ausgestaltung Form angenommen haben? Über welche Themen „erzählen“ Sie die Geschichte der Habsburger?



Simone Heimann: Den großen Bogen haben uns Rudolf I. mit der Wahl seines Grablegortes und Maximilian I. mit seinem Monument für den Speyerer Dom vorgegeben. Doch zwischen beiden Herrschern liegen rund 250 Jahre Reichsgeschichte und erhebliche Gebietsveränderungen. So war es zwingend notwendig, uns selbst immer wieder zu fokussieren, um den roten Faden nicht zu verlieren.



Bewusst haben wir uns für eine chronologische Erzählung entschieden und ganz bewusst mussten wir auch große Themen ausklammern – die Stadtentwicklung, die Gründung der Universitäten, die Glaubensfragen – es gäbe so viel mehr Spannendes zu erzählen. Doch auch 1.000 Quadratmeter sind endlich und es ist auch so schon verzwickt genug, vor allem, wenn uns Leitnamen wie Albrecht und Friedrich durch die Jahrhunderte begegnen.



Mittelalter Digital: Der Fokus Ihrer Aufstellung liegt – der Titel macht es ja deutlich – auf den Anfängen der Habsburger im Spätmittelalter. Wie kam es zu dieser Schwerpunktsetzung?



Simone Heimann: Den Schwerpunkt haben uns Rudolf I. und Albrecht I. mit ihrem Grablegeort sozusagen in die Feder diktiert. Hinzu kommt, dass es zwar schon vielerorts Ausstellungen zu den Habsburgern gegeben hat, vornehmlich aber zu den Königen und Kaisern ab Maximilian I. Mit unserem Blick auf die frühen Habsburger konnten wir hier also auch eine wichtige Lücke schließen.



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Die Zeit der frühen Habsburger, die sich immer wieder auf Schlachtfeldern wiederfinden, ist auch eine kriegerische. So muss bspw. Rudolf I. in der Schlacht von Dürnkrut seine Herrschaft gegen Ottokar II. von Böhmen militärisch durchsetzen. So verwundert es nicht, dass auch Kriegs- und Turnierausrüstung Besucherinnen und Besucher in die „Zeit der Ritter“ entführt. Kettenhemd von Erzherzog Leopold III. von Österreich, der in der Schlacht bei Sempach 1386 gegen Luzern und die Eidgenossen überraschend sein Leben ließ.



Mittelalter Digital: Eine zentrale Figur, nicht zuletzt aufgrund seiner Rolle als Dynastiebegründer und seiner Verortung in Speyer, ist Rudolf I. Wie haben Sie sich seiner Person genähert und auf welchen Wegen stellen Sie ihn in der Ausstellung dar? Welche Quellen(arten) konnten Sie konsultieren und implementieren? Gibt es markante zeitgenössischen Bewertungen oder Einschätzungen der Herrscherfamilie oder einzelner herausragender Mitglieder?



Simone Heimann: Leider ist die zeitgenössische Geschichtsschreibung für die Zeit Rudolfs I. wie Albrechts I. dürftig. Spannend ist hier zum Beispiel der Ellenhard-Codex aus dem Stift St. Paul im Lavanttal. Der Ellenhard-Codex gilt als eines der ältesten Zeugnisse bürgerlicher Geschichtsschreibung und enthält Aufzeichnungen zur Regentschaft Rudolfs I. und Albrechts. So seien Mut und Tatkraft Rudolfs I. im Kampf gegen Ottokar von Böhmen löwenhaft gewesen. Der Straßburger Bürger Ellenhard hatte die Chronik bei mehreren Schreibern Ende des 13. Jahrhunderts in Auftrag gegeben.



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Das spätmittelalterliche Codex ist benannt nach seinem Urheber Ellenhard. Es ist für die Geschichte der ersten beiden Habsburger-Könige Rudolf I. und Albrecht I. von großem historischen Wert.



Mittelalter Digital: Historische Personen wurden und werden in ihrer Rezeption immer wieder für Geschichtsentwürfe und -narrative instrumentalisiert. Beleuchten Sie in der Ausstellung auch die Rezeption der ersten Habsburger?



Simone Heimann: Tatsächlich ist die Rezeptionsgeschichte eines der großen, ganz eigenen Themen, die wir bewusst ausgeklammert haben.



Mittelalter Digital: Jede Ausstellung lebt von ihren Exponaten. Wie setzt sich Ihr Portfolio zusammen? Konnten Sie auf eigene Bestände zurückgreifen? Aus welchen Richtungen wurden Ihnen Ausstellungsstücke zugesteuert?



Simone Heimann: Wenn sich in unseren Ausstellung die große Reichsgeschichte mit der Speyerer oder Pfälzer Regionalgeschichte verknüpfen lässt, dann können wir auch meistens auf das ein oder andere Objekt aus unseren eigenen Beständen zurückgreifen. Im Dom- und Diözesanmuseum im Historischen Museum der Pfalz werden die Grabfunde verwahrt, die bei der Öffnung der Gräber im Jahr 1900 entnommen wurden. So zeigen wir sowohl das Schwert Albrechts I. als auch – etwas kurios – einen Backenzahl aus dem Grab Rudolfs I.



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Das Schwert Albrechts von Österreich: Die Datierung fällt in die zweite Hälfte des 13. Jahrhundert bzw. in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts.



Mittelalter Digital: Mit dem Speyrer Dom und der Grablege bedeutender mittelalterlicher Herrscher und Herrscherinnen haben Sie in direkter Nachbarschaft einen Ort, an dem Besucherinnen und Besucher den Habsburgern begegnen können. Auf welche Weise nimmt die Ausstellung Bezug auf den Dom und die Grablege?



Simone Heimann: Das Valkenauer-Monument verbindet Dom und Ausstellung. Glücklicherweise konnten wir für die Ausstellung das Valkenauer-Monument digital rekonstruieren und diese Rekonstruktion kann man sich nun digital auf seinem eigenen Handy im Dom selbst ansehen. Man braucht dazu lediglich die Museumsapp und schon kann es losgehen. Ich verspreche Ihnen, es ist ein gewaltiges Bauwerk gewesen!



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Standfigur aus dem unvollendetes Denkmal für den Kaiserdom in Speyer von Hans Valkenauer (um 1448 – um 1520) in Auftrag gegeben von Maximilian I.



Mittelalter Digital: Ihr Haus hat in den letzten Jahren immer wieder Ausstellungen gemacht, die auch für jüngere Besucherinnen und Besucher ein Angebot bereithielten. Gibt es ein Mitmachangebot oder etwas Ähnliches im Kontext der Habsburger?



Simone Heimann: Aber klar! Auch wenn die Habsburger-Ausstellung sich an Erwachsene richtet, darf ein Angebot für unsere jüngeren Museumsbesucher natürlich nicht fehlen. Mit der Habsburger-Ausstellung ist auch unsere neue Museums-App an den Start gegangen. Der Medienguide ersetzt den klassischen Audioguide und es gibt eine interaktive Jumus-Spur, so dass auch die Kids auf ihre Kosten kommen. Den Medienguide kann man sich übrigens auch vom heimischen Sofa aus anhören – einfach App kostenfrei herunterladen und viel Freude daran haben!



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Hat zwar nichts mit dem Mittelalter zu tun, aber parallel zur Habsburger-Ausstellung ist im Historischen Museum der Pfalz Speyer die Kindermitmachausstellung „Der Grüffelo kommt zurück“ zu sehen: die ideale Kombination, um auch jüngere Besucherinnen und Besucher mit einem wunderbaren Angebot zu locken! Verschiedene Masken laden zum Rollenspiel ein. Die Kinder können sich in den Grüffelo verwandeln, in die kleine Maus oder in die Tiere des Waldes wie Fuchs und Eule.



Mittelalter Digital: In Vorbereitung auf die Ausstellung beschäftigte sich im Frühjahr 2018 eine Fachtagung mit den Habsburgern, deren Erkenntnisse in die Ausstellung eingeflossen sein sollen. Welche neuen Befunde der Forschung gibt es? Hat sich die Bewertung der ersten Habsburger geändert, nachdem insbesondere Rudolf I. lange Zeit sehr positiv bewertet wurde, u. a. weil er das sog. Interregnum nach dem Untergang der Stauferherrschaft beendete?



Simone Heimann: Wir waren sehr dankbar, dass wir in Vorbereitung der Ausstellung wie vor allem auch des Ausstellungskataloges auf die Ergebnisse der Tagung der Europäischen Stiftung Kaiserdom zurückgreifen konnten, zumal ja auch der Tagungsband vorliegt. Es macht aber einen großen Unterschied, ob man aus deutscher, österreichischer oder Schweizer Perspektive auf das Thema blickt.



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Der Inschrift zufolge diente diese mittelalterliche Elfenbeinhorn, auch Olifant genannt, als Reliquiar und wurde 1199 von Graf Albrecht III. von Habsburg mit Reliquien gefüllt dem Kloster Muri geschenkt. Das Kloster wurde von den frühen Habsburgern gestiftet. Bis heute zählt es zu den wichtigsten Kulturdenkmälern des Kantons Aargau in der Schweiz.



Mittelalter Digital: Gibt es Aspekte der Ausstellung oder Exponate, die Sie persönlich besonders reizvoll finden und deren Betrachtung Sie Besucherinnen und Besuchern besonders nahelegen möchten?



Simone Heimann: Oh, wo soll ich da nur anfangen? Oft sind es ja die kleinen Stücke, die besonders begeistern – so ist es auch in unserer Habsburger-Ausstellung. Der Ring Ernst des Eisernen, aus einem Saphir geschliffen, ist so ein Lieblingsstück. Auge in Auge mit dem Wasserspeier vom Stephansdom Zwiesprache zu halten, ist eines meiner persönlichen Highlights.



Und das Privilegium Maius, einfach eine unglaubliche Urkunde und ein noch viel unglaublichere Geschichte… und der Tiroler Erzherzogshut… und die kleine Gebetsnuss der Maria von Burgund… und die glänzende Ritterrüstung… – kommen Sie vorbei uns finden Sie einfach selbst Ihr Lieblingsobjekt!



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Mit einem sogenannten Vidimus ließ sich Herzog Rudolf IV. von Österreich durch vier bedeutende Prälaten seines Reiches den Fälschungskomplex des Privilegium maius bestätigen und erhöhte so dessen Glaubwürdigkeit. Mit dieser Urkunde versuchte er schließlich bei seinem Schwiegervater Kaiser Karl IV. eine Anerkennung seiner Fälschungen zu erreichen.



Mittelalter Digital: Liebe Frau Heimann, ganz herzlichen Dank für die Einblicke! Wer sich näher zur Ausstellung ›Die Habsburger im Mittelalter. Aufstieg einer Dynastie‹ informieren möchte, findet alle Infos dazu auf der Webseite des Historischen Museums der Pfalz Speyer.



Das Interview führte Tobias Enseleit.