
Kloster Schussenried, Luftbild Klosteranlage, © Stadt Bad Schussenried, Ingo Rack

Kloster Schussenried, Luftbild Klosteranlage, © Stadt Bad Schussenried, Ingo Rack
›UFFRUR! Utopie und Widerstand im Bauernkrieg 1524/25‹ im Kloster Schussenried
500 Jahre Bauernkrieg: Große Landesausstellung erinnert an historischen Umbruch 500 Jahre nach dem Bauernkrieg erinnert das Landesmuseum Württemberg mit der Ausstellung ›UFFRUR! Utopie und Widerstand im Bauernkrieg 1524/25‹ ab 26. April 2025 im Kloster Schussenried an die Ereignisse der Jahre 1524/25. Zusammen mit weiteren Ausstellungen und Projekten des Landesmuseums bildet ›UFFRUR!‹ die unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsident Winfried Kretschmann stehende Große Landesausstellung ›500 Jahre Bauernkrieg‹. Auf 900 Quadratmetern nimmt die kulturhistorische Ausstellung ›UFFRUR!‹ das Publikum mit in die Dynamik des Geschehens. Ihr Spielort – das Kloster Schussenried in Oberschwaben – befand sich damals selbst inmitten der Ereignisse. Am 29. März 1525 wurde das Kloster von Bäuer*innen geplündert und verwüstet.
Kulturhistorische Exponate und Auftritt von Zeitzeug*innen mittels KI
Die Ausstellung ›UFFRUR!‹ entfaltet die historischen Geschehnisse zwischen Juni 1524 und Juli 1525 im Kontext des frühen 16. Jahrhunderts. Über 150 Originalexponate – darunter Flugschriften, Bücher, Waffen, Gemälde, Skulpturen und Kleidungsstücke – veranschaulichen die Hintergründe und Auswirkungen des Konflikts. Ein Ausstellungshighlight ist die berühmte ›Weißenauer Chronik‹ mit ihren einzigartigen, detailreichen Zeichnungen.
Ergänzend zu den Objekten treten acht am Bauernkrieg beteiligte Persönlichkeiten auf und schaffen einen emotional-theatralischen Zugang: Unter anderem sind Götz von Berlichingen, Margarete Renner, Sebastian Lotzer und Georg Truchsess von Waldburg in Lebensgröße filmisch präsent. Die Figuren berichten aus ihrer Perspektive von den Geschehnissen und machen nachvollziehbar, welche Emotionen im Spiel waren.
Das Ausstellungsteam hat die Akteur*innen mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz bewusst als „Kunstfiguren“ konzipiert: Ihr Erscheinungsbild lässt deutlich erkennen, dass keine scheinbare historische Korrektheit beabsichtigt ist, sondern das Herausstellen von Charakteristika, und zwar in einer Form, die für heutige Besucher*innen gut verständlich ist. Die Sprechtexte der Persönlichkeiten basieren auf dem neuesten Forschungsstand und von sind professionellen Sprecher*innen eingesprochen.

© Landesmuseum Württemberg, Jonathan Leliveldt, Alexander Lohmann
Bauer mit Geldtasche (Geldzehnt), Holzfigur aus dem Rathaussaal in Überlingen, 1534
Revolte im deutschen Südwesten
Die Ausstellung nimmt besonders die turbulenten Geschehnisse im deutschen Südwesten, vom Schwarzwald bis in den Odenwald, vom Allgäu bis in den Kraichgau in den Fokus. Überall dort, aber auch in anderen Regionen, etwa in Thüringen oder in Tirol, erhob sich die Bauernschaft und teils auch die städtische Bevölkerung, gegen die Unterdrückung und Ausbeutung durch den Adel. Die Rebellion entwickelte sich zur ersten Massenbewegung der deutschen Geschichte. Neuartig und über das 16. Jahrhundert weit hinausweisend waren auch die Forderungen nach universellen Freiheitsrechten und die Betonung der Gleichheit aller Menschen.
Die Situation am Vorabend des Bauernkriegs
Der erste Teil der Ausstellung fächert die Rahmenbedingungen des Bauernkrieges auf: Wie sahen die Lebensrealitäten im frühen 16. Jahrhundert aus? Welche Gegebenheiten ermutigten den „gemeinen Mann“ zur Auflehnung gegen die herrschenden Verhältnisse? Die Zeit um 1500 war zum einen von Wandel und Aufbruch geprägt, sei es im Bereich des Rechts, der Kriegsführung oder auch im Blick auf das Individuum.
Zum anderen bestimmten die extrem ungleiche Verteilung von Macht und Gütern die Lebenswirklichkeit der Menschen. Die Bäuer*innen fühlten sich durch steigende Abgaben und Frondienste sowie den zunehmenden Zugriff der Herren auf den gemeinschaftlichen Besitz belastet und durch die Leibeigenschaft in ihren Freiheiten beschnitten.
Schon in den Jahrzehnten vor dem Bauernkrieg kam es immer wieder zu lokalen Erhebungen. Der in diesen Unruhen sich zeigende Kampf um Anerkennung steht im Kontrast zum Spott, mit dem gesellschaftlich höher gestellten Stände, insbesondere das wohlhabende Stadtbürgertum, auf die der Bäuer*innen herabschauten. Zahlreiche Druckgrafiken der Zeit, etwa von Albrecht Dürer und Hans Sebald Beham, zeigen satirisch die als plump und lasterhaft geschilderte Landbevölkerung.
Die Bedeutung der Reformation
Eine zentrales Augenmerk der Ausstellung gilt der Bedeutung der Reformation für die Erhebung: Zahlreiche Exponate und die Figur Sebastian Lotzers, Reformator und Verfasser der ›12 Artikel‹, verdeutlichen, wie die Bäuer*innen Martin Luthers Rede von der „Freiheit eines Christenmenschen“ und die Idee der Gleichheit aller Gläubigen aufgriffen. Gezeigt wird auch, welche Rolle die Dorfgemeinde spielte und wie sich Luther, der zunächst mit der Bauernschaft sympathisierte, schließlich schroff von ihr abwendete und die Fürsten zur Niederschlagung des Aufstands aufrief.

© Haus der Geschichte Baden-Württemberg
„Die gründtlichen vn rechten haupt Artickel aller Bauerschafft etc.“, Zwölf Artikel, Titelholzschnitt, Forchheim 1525
Die ›12 Artikel‹
Mit den berühmten ›12 Artikeln‹ beginnt der Ausstellungsteil, der sich den dramatischen Ereignissen im Frühjahr und Sommer 1525 widmet. Anfang März hatten sich Vertreter der drei großen oberschwäbischen Haufen in Memmingen versammelt und „artikulierten“ mit Verweisen auf die Bibel ihre hauptsächlichen Forderungen an Adel und Klerus. Lange vor der Aufklärung nehmen die ›12 Artikel‹ und weitere Schriften die Idee der Menschenrechte vorweg.
Neben der Freiheit im Sinne eines Gegenentwurfs zur Leibeigenschaft wird die christlich geprägte „brüderliche“ Liebe zwischen allen Menschen betont. Die ›12 Artikel‹ gingen in Druck und verbreiteten sich wie ein Lauffeuer im deutschsprachigen Raum. Überall hatten die Bäuer*innen nun die gleichen Worte zur Hand. Ohne die Verbreitung der Druckerpressen in den Jahren zuvor wäre der Bauernkrieg mit seiner überregionalen Reichweite nicht denkbar gewesen.
Die Chronik des Klosters Weißenau
Einen unmittelbaren Eindruck von der Dynamik der Ereignisse in Oberschwaben vermittelt die ›Weißenauer Chronik‹. Begleitet wird sie vom filmischen Auftritt zweier Protagonisten dieser Quelle: Abt Jakob Murer, Verfasser der Chronik, und sein Leibeigener Stefan Rahl. Auf faszinierende Weise schildert die Bilderchronik das Geschehen rund um das Kloster Weißenau bei Ravensburg in elf detailreichen Federzeichnungen:
Zu sehen ist, wie die Bäuer*innen mit ihrem Herrn, dem Abt, verhandeln und einen Ausgleich finden, wie sie sich am folgenden Tag doch dem Baltringer Haufen anschließen, wie ihr Anführer Stefan Rahl zu ihnen spricht, wie sie das Kloster plündern und schließlich bei Weingarten den adligen Truppen gegenüberstehen und ihre Waffen abgeben – und wie sie schließlich ihrem Herrn abermals huldigen.

© Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, Foto: M. Runge
Bauern bei der Heuernte, Monatsbild Juli mit zugehörigem Sternzeichen, Glasmalerei, Nürnberg, 1530-40
Kampf oder Gewaltfreiheit
Das Ringen unter den Aufständischen, ob ein bewaffneter Kampf in Frage komme oder Gewaltfreiheit geboten sei, wird in der Ausstellung anhand von Exponaten und Auftritten zweier am Konflikt beteiligter Persönlichkeiten thematisiert. So steht der ›Weingartener Vertrag‹ für den Verzicht der oberschwäbischen Haufen auf den Kampf. Andererseits werden auch die blutigen Schlachten thematisiert. Die erste vernichtende Niederlage in Leipheim wird mit neuen spannenden Erkenntnissen der sogenannten Schlachtfeld-Archäologie vertieft. Auch die folgenden für die Bauernschaft verheerenden Schlachten in Böblingen, Königshofen und Leubas im Allgäu finden Berücksichtigung.
Relevant für heute
Die Ausstellung ›UFFRUR!‹ ist ein wichtiger Baustein im landesweiten Gedenken an die Bäuer*innen der Jahre 1524/25. In der Geschichte des Ringens um Freiheit, Demokratie und Menschenrechte kommt dem „Uffrur“ der Jahre 1524/25 ein besonderer Platz zu. Die Ausstellung beleuchtet nicht nur die politische Streitkultur der damaligen Zeit und mögliche Konfliktlösungsstrategien. Auch die Frage, was für uns die aufständischen Bauern gerade heute bedeuten, und was wir für die gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit lernen können, wird in der Ausstellung immer wieder angesprochen.
Die Große Landesausstellung 2024/25 ›500 Jahre Bauernkrieg‹ des Landesmuseums Württemberg umfasst neben der kulturgeschichtlichen Ausstellung ›UFFRUR!‹ im Kloster Schussenried vier weitere Projekte: die Erlebnisausstellung ›PROTEST! Von der Wut zur Bewegung‹ im Alten Schloss in Stuttgart (noch bis 4.5.2025), die Mitmachausstellung ›ZOFF!‹ im Stuttgarter Kindermuseum Junges Schloss (bis 3.8.2025), das digitale Storytelling-Projekt auf Instagram ›LAUTseit1525‹ (bis Herbst 2025) und das Theater- und Musikspektakel ›UFFRUR! …on the road‹, das nach der Premiere am 30. April in Stuttgart von Mai bis Oktober 2025 an 15 Stationen im Südwesten reist und die historischen Ereignisse vor Ort zum Leben erweckt.
Neugierig geworden? Weitere Informationen zur neuen Ausstellung findet ihr hier .